„Wo beginnt der Respekt und was ist die Voraussetzung?“, diese Frage beschäftigt mich und ich spürte ihr nach.
Als ich in meinem Urlaub durch eine wunderschöne Altstadt spazierte, gab es einige Erlebnisse, die noch gedanklich nachwirkten und mir die Frage mitgaben.
Gehören Gebäude respektiert?
Vor einer Führung in den Katakomben, die nebenbei bemerkt echt total interessant war, waren gewisse Personen dabei, die mich innerlich beschäftigten.
Dass Schilder mit dem Verbot von Getränken und Essen ignoriert werden, ist mir nicht neu. Ebenso eine sehr freizügige Kleidung in der Kirche. Ich finde, in einer Kirche sollten die Pobacken bedeckt werden und der Ausschnitt nicht bis zum Bauchnabel gehen. Ich denke, es geht mir hierbei um Würdigung.
Am Boden sitzen und sich mit seinem Schweiß getränkten Shirt an den alten Mauern der Kirche lehnen, störte mich. Das empfinde ich nicht als wertschätzend und es ist in meinen Augen respektlos. Natürlich unterliegt alles dem Gesetz der Vergänglichkeit, doch müssen Menschen dies mutwillig beschleunigen?
Für mich war es einfach respektlos und es machte mich wütend, doch noch mehr beschäftigte mich die Frage, ob der Person überhaupt bewusst ist, was sie da macht und welche Folgen es haben könnte. Vielleicht ist die Achtsamkeit gar nicht so ausgebildet, dass die Reflexion über das Verhalten gar nicht möglich ist. Es gibt ja Menschen, die nicht reflektieren. Vielleicht zählen die Personen dazu. Hmmm… Unachtsamkeit macht es auch nicht besser, weil Achtsamkeit mir wichtig ist, egal ob mit einem selbst oder dem Gegenüber. Also tief durchatmen, bei mir sein und auf den Beginn der Führung warten.
Gehören sterbliche Überreste respektiert?
Die Führung war mega spannend, schon der Treppenabstieg und der Duft des alten Gemäuers und diese unterirdischen Räume waren die Zeit und die minimalen Kosten wert. Während der Führung waren zwei Damen, die meine Aufmerksamkeit immer mal wieder auf sich zogen. Als wir in den bischöflichen Grabstätten standen, griffen die beiden Damen durch die Gitterstäbe durch und betatschten u. a. Särge und ich spürte wie es mich traf. Ich spürte währenddessen nach, um was es mir ging und nahm mir auch die Tage danach noch die Zeit diesen Stich in mir zu erforschen.
Ist es, weil sie die Grenze der Gitterstäbe (eine klar gesetzte Grenze) nicht respektierten?
Ist es, weil sie der Totenruhe nicht mit Demut begegnen?
Ist es der Neid, der aus mir spricht, weil sie einfach machen?
Sind es meine Glaubenssätze in Sachen Anstand und was sich gehört und was nicht?
Ist ihnen bewusst, was sie tun?
Kann Respekt ohne Bewusstsein gelebt werden?
Es gingen mir diesbezüglich viele Fragen durch den Kopf und mir wurde immer klarer, dass es mir nicht nur um den Respekt, sondern auch um die Unachtsamkeit geht.
Unachtsamkeit – eine faule Ausrede?
Ich lauschte ganz gespannt, was der Herr über die Katakomben berichtete. Dass damals die Gefängnisinsassen die Knochen stapeln mussten, um Platz effizient zu nutzen, empfand ich als „Echt jetzt, das gibt es doch nicht“, damit wurde mein Gedanke unterbrochen. Der Anblick, wie die Damen versuchten die Knochen zu berühren, riss mich voll raus.
Ja, auch hier kamen die gerade vorausgegangenen Fragen doch letztlich kam eine Wut über mich. Denn so viele Menschen haben ein großes Problem, frisch verstorbene Menschen zu berühren und den Tod zu begreifen. Doch Knochen sind dann cool? Das waren Menschen – Lebewesen. Das sind menschliche Überreste. Die letzten Zeugnisse, des Daseins auf Erden.
„Leben und leben lassen“ fordert mich in diesem Zusammenhang echt raus. Es macht mich traurig, dass die Achtsamkeit bei vielen Menschen zu wenig Raum bekommt. Ja, ich darf erkennen, daran wachsen und weiter üben. Doch frage ich mich, wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt.
Respekt sollte in der Kindheit verständlich vermittelt werden
Natürlich sagte ich in jungen Jahren oft automatisch (und unbewusst) nach dem Essen „Danke, gut war’s“. Doch bin ich nicht mehr so jung und über die Jahre hat mein Dank eine ganz andere Bedeutung. Selbst wenn mir etwas nicht schmeckt, bedanke ich mich, doch immer authentisch. Dann ist es zum Beispiel ein „Danke fürs Mittagessen“. Was für mich bedeutet: „Danke für deine Zeit, deine Mühe und dass mich ein Essen gesättigt hat“. Ich respektiere mein Gegenüber, seine Zeit und fühle dabei auch eine tiefe Dankbarkeit und Wertschätzung. Doch auch das geht halt nur, wenn Menschen reflektieren und nicht alles für selbstverständlich halten.